Der Weg ins Glück ist verborgen im Herzen



Mittwoch, 31. Oktober 2012

IM EINKLANG MIT DEM URKLANG – EINTAUCHEN IN DAS GEHEIMNIS DER EUCHARISTIE


IM EINKLANG MIT DEM URKLANG – EINTAUCHEN IN DAS GEHEIMNIS DER EUCHARISTIE
Mein Erfahrungsbericht vom Eucharistischen Workshop in der Benediktinerabtei Fiecht i. Tirol
vom 19. bis 21. Oktober 2012


Das Trommeln zwanzig wild gewordener Krieger durchzieht die ehrwürdigen Gänge der alten Benediktinerabtei Fiecht zu Füßen des mystischen Georgenbergs. Ist Afrika über Tirol hereingebrochen? Fast möchte e so scheinen. Die animistisch anmutenden Exponate aus den benediktinischen Missionsgebieten in den weiten Hallen des Klosters legen diese Vermutung nahe. Doch der Eindruck täuscht.

Rumtatatam, rumtatatam, rumtatatam. Es sind zwanzig Teilnehmer eines eucharistischen Workshops, die voller Leidenschaft und Hingabe auf zwanzig Umzugkartons einschlagen. Sie trommeln im rhythmischen Gleichklang, synchron im Takt jenes Mannes, der sie dirigiert, wie sonst seine Orchester.
Seminarleiter Peter Jan Marthé weiß, was er tut: „Hier geht es um das hautnahe Erleben eines orchestralen Flows, der das exklusive Markenzeichen eines jeden Spitzenorchesters ist. Diesen Flow, diesen überwältigenden Einklang des Geistes müssen wir in den Herzen der Menschen wieder neu entzünden“.

Damit spricht er Papst Benedikt XVI. aus dem Herzen: „Wir müssen unser Herz zum Herrn erheben, nicht nur als rituelle Antwort, sondern als Ausdruck von allem, was in diesem Herzen vor sich geht, das in die Höhe strebt und auch die anderen nach oben zieht.“

Gemeinsam „Eucharistie“ zu feiern sei nichts anderes, als der überwältigenden Freude freien Lauf zu lassen angesichts der erspürten Präsenz Gottes in seiner Schöpfung. Das daraus resultierende Gefühl unermesslicher Dankbarkeit in den Herzen der Menschen lebendig werden zu lassen, das ist es, was Marthé antreibt und bewegt. Und er, der ehemalige Seminarist, jetzt Dirigent und Komponist mit großer Menschenkenntnis ist dafür prädestiniert. Eigens eine Messe, die „erdwärtsmesse“, hat er zu diesem Zweck komponiert und gleich auch noch ein heiß diskutiertes Buch zum Thema „Die heilige Messe – kultisch, szenisch, sinnlich, mystisch“ herausgegeben. Der Workshop ist ein Geheimtipp. Kaum steht ein Termin dafür fest, ist er auch schon ausgebucht. Und es finden sich dort oft jene Menschen ein, die der Kirche schon vor Jahren den Rücken gekehrt haben, weil die Priester, die sie eigentlich führen sollten, ihnen nichts zu sagen hatten.

Im Workshop eröffnet ihnen Marthé eine neue Perspektive auf die Botschaft Jesu. In den Texten und Kompositionen der „erdwärtsmesse“ hat er versucht, die Botschaft greifbar, erfahrbar zu machen. Papst Benedikt XVI.: „ Die heilige Liturgie schenkt uns die Worte; wir müssen in diese Worte eintreten, den Einklang mit dieser Wirklichkeit finden, die uns vorausgeht.“
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Marthé haut kraftvoll auf den großen Gong, der Saal vibriert. Er bringt uns die einzelnen Elemente seines Werkes näher, versetzt uns mit seiner Begeisterung und seinem Wissen selbst in Schwingung:

„Aus der Physik wissen wir, alles im Universum tönt, ist in Schwingung. Die ganze Schöpfung ist in Schwingung und ständiger Bewegung. Angefangen bei den Protonen, bis hin zu ganzen Planeten.
>Im Anfang war das Wort<, heißt es bei Johannes in der Einheitsübersetzung. >Logos< im Griechischen. Doch Logos ist vielmehr als nur >Das Wort<. Neshama nennen es die Juden und meinen damit den Hauch Gottes, der das Wort erst beseelt. Eine unaussprechliche Schwingung. Eine treffendere Übersetzung für Logos wäre daher >Urklang<“, sagt Marthé.

Marthé weiß wovon er spricht. Sein Mentor und Lehrmeister, Sergiu Celibidache, schickte ihn einst nach Indien, die traditionelle Kunst des Tonings zu erlernen. Das Tönen nur eines einzigen Tons. Vierzig Minuten lang. Jeden Tag von vier Uhr morgens an. Und dies über mehrere Monate hinweg. Das war der Einstieg in das Musikstudium auf indische Art. „Da wirst du entweder verrückt oder du machst einen Quantensprung“, erinnert sich der Maestro. In Fiecht dürfen auch wir uns darin üben, volle fünf Minuten lang und sie lassen bereits erahnen, was er meint. Durch seine Ausbildung bei einem indischen Klangmeister hat er gelernt die Seele eines einzigen Tons zu verstehen und sein Wesen zu erkennen, wie er im Urton die ganze Schöpfung durchströmt. Später wird Abt Anselm Zeller OSB sagen, er habe im Vorbeigehen „die Engel singen gehört“.

Und, wir, die wir gleich Engeln singen, erfahren hier das, was unser Papst so ausdrückt: „In dem Maße, in dem wir diese Struktur verinnerlicht, sie verstanden und die Worte der Liturgie in uns aufgenommen haben, können wir eintreten in diesen inneren Einklang und daher nicht nur als Einzelpersonen mit Gott sprechen, sondern in das "Wir" der betenden Kirche eintreten. Und auf diese Weise können wir auch unser "Ich" verwandeln, indem wir in das "Wir" der Kirche eintreten, dieses "Ich" reicher und weiter machen, mit der Kirche, mit den Worten der Kirche beten und so wirklich im Gespräch mit Gott stehen.“

Die fallweise zu hörende Kritik an der „erdwärtsmesse“, die man immer wieder mal aus den eigenen Reihen vernehmen kann, sie sei nicht katholisch ist unberechtigt. „Erdwärts“ steht hier nicht für eine naturgeisthafte Ausrichtung nach unten, sondern für einen Blick von der Erde aus hinauf in den Himmel: Denn von dort her kommt in den liturgischen kraftvollen Gesängen der Himmel in seiner ganzen Fülle herab auf die Erde, eben erdwärts, um sich dort mit der irdischen Liturgie zu vereinen. Damit steht der Geist der „erdwärtsmesse“ ganz auf dem Boden kirchlichen Lehramts. So steht schon im Katechismus zu lesen: 1090 „In der irdischen Liturgie nehmen wir vorauskostend an jener himmlischen teil“. Die „erdwärtsmesse“ Youtube Video hinterlässt in uns einen ersten Geschmack jener Himmlischen.

Die erdwärtsmesse ist auch keine zeitgeistliche Neuerfindung der Liturgie. Alle Elemente einer vollgültigen Heiligen Messe sind da: Präfation, Sanktus, Epiklese, Einsetzungsbericht, Akklamation, Anamnese und Kommunio. Und Pfarrer Joseph Götzmann, Krankenhausseelsorger und ausgebildeter Psychotherapeut, versteht es in seinen Worten und durch die kraftvollen Gesänge bewirkte Offenheit das Volk Gottes mit hineinzunehmen in das Mysterium der Messfeier des Corpus Christi. Er tut damit das, was das kirchliche Oberhaupt von seinen Priestern erwartet: „Gott spricht mit uns, und wir sprechen mit Gott. Daher ist die erste Voraussetzung für eine gute liturgische Feier die, dass der Priester wirklich in dieses Gespräch eintritt.“ Später wird Maria, eine der Teilnehmerinnen, sagen, sie habe beim Evangelium „zum ersten Mal so richtig hingehört und verstanden.“

Damit auch das Volk effektiv mit Gott sprechen kann, ist es notwendig, den eigentlichen Kern von Eucharistie zu verstehen, ist Marthé überzeugt: „In der „erdwärtsmesse“ geschieht eine Rückbesinnung auf die Gründungscharismen der Messfeier in ihren Anfängen im Urchristentum.
Die Feier der Heiligen Messe, war bei den Urchristen viel mehr als nur eine reine Gedächtnisfeier. Sie war eine Initiation, eine Feier der Auferstehung und Danksagung in der unsere eigene Wandlung geschehen soll. Schauen sie sich das Fresko in den Domitilla Katakomben an oder das Deckengemälde in der Kallixtus Katakombe, beides in Rom. Sie stammen aus dem zweiten und dritten Jahrhundert. Es sind alles Bilder einer Einweihung in das Mysterium der Auferstehung. Orpheus! in der Mitte, darum angeordnet vier Bilder aus dem alten Testament: Mose, der an den Fels schlägt, David mit seiner Laute, Daniel in der Löwengrube und die Auferweckung des Lazarus.“

Und er fügt hinzu, „Aus der Physik wissen wir, dass keine Energie verloren geht. Sie geht lediglich von einem Zustand in einen anderen über: Sie wandelt sich. Das ganze Wirken Jesu ist darauf hin ausgerichtet. Seine Wunder sind Werke der Wandlung: Wasser in Wein, Wein in Blut, Blinde zum Sehen, Lahme zum Gehen, Tote zum Leben. Das alles sind Aspekte von Wandlung. Gleichzeitig sagt er uns, wir müssen neu geboren werden aus Wasser und Geist, heißt, wir sollen eine innere Wandlung vollziehen. Und als Zeichen seiner Liebe gibt er uns in seiner vollendeten Hingabe und sichtbar gewordenen Auferstehung vom Tod selbst das Beispiel dafür.“

Peter Jan Marthé ist es wichtig, dass die Menschen begreifen, worum es bei der Feier der Eucharistie geht. Wir sollen „im Geist zu einer Wohnung Gottes erbaut“ werden (vgl. Eph 2, 22). „Seine Herrlichkeit wohne in unserem Land“ (vgl. Ps 85, 10). Deshalb führt er Menschen, die diese Sehnsucht in sich tragen, in kleinen Seminaren Schritt für Schritt durch die acht Räume seiner Kathedrale der Klänge hin zur Begegnung mit Gott, in der Wandlung geschieht.

Die wahre Danksagung an Gott muss ihren Sitz in unserem Herzen haben. Eucharistie ist letztlich ein Ort der von Herzen kommenden Danksagung an Gott für seine Liebe zu uns. Und in dieser Haltung des Dankens steigt Gott in seiner ganzen Fülle herab in seinen irdischen Tempel, der wir sind (vgl. 2 kor 6, 16) und verwandelt uns, verwandelt unser Herz und haucht uns einen Geist ein, der lebendig macht.

Und das ist es, was jeder, der einmal an der Erdwärtsmesse teilgenommen hat, verspürt: Diese Lebendigkeit, die uns da plötzlich von innen heraus durchströmt und unseren Geist mit neuer Kraft beseelt. „ Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch“ (Ez 36, 26). Hier wird dieser Satz lebendig. ein weiteres Video aus Graz

Marthé unterteilt nämlich die Feier der Eucharistie in Anbindung an das Urchristentum in acht Räume ohne dabei den Aufbau der liturgischen Feier zu verlassen. Im Gegenteil, durch seine acht Räume sorgt er für Klarheit und Verständnis. „Der erste Raum, der Einzug, ist der wichtigste.“ Im Betreten, im Überschreiten der Schwelle, liegt die Entscheidung des sich darauf Einlassens, was dann geschieht. Wer sich nicht dafür entscheidet, wer also nur aus Gewohnheit in die Kirche geht, oder um anderen zu gefallen, der hat zwar physisch eine Kirche betreten, aber im Geiste steht er immer noch davor und entzieht sich so, dem was Gott in der Feier schenken möchte. Oder wie Marthé es ausdrückt: „So einer steckt noch im tiefsten Heidentum.“

Im Kyrie, dem zweiten Raum, geht es darum im Vertrauen auf die Liebe Gottes einen ehrlichen Blick auf sich selber zuzulassen und sich so anzunehmen, wie man ist, ein Mensch voller Schwächen und Fehler. Marthé: „Nichts für schwache Nerven.“ Ist diese Tal einmal durchschritten werden wir fähig zu echter Freude: Der Raum des Gloria. Jetzt sind wir bereit und offen im vierten Raum Gott in seinem Wort zu hören. Es ermutigt uns, den Raum der Hingabe zu betreten, uns selbst als Opfergabe darzubringen. Papst Benedikt XVI. in einer Ansprache an die Priester: „Und auf diese Weise können wir auch unser "Ich" verwandeln, indem wir in das "Wir" der Kirche eintreten“. Und in den Konzilstexten heißt es dazu: „„In der Liturgie, besonders im heiligen Opfer der Eucharistie, vollzieht sich das Werk unserer Erlösung.“

Der erste Schritt zur Wandlung geschieht im sechsten Raum, dem Raum des Staunens, dem Sanctus. Wir erinnern uns, was der Papst sagte: „Wir müssen unser Herz zum Herrn erheben, nicht nur als rituelle Antwort, sondern als Ausdruck von allem, was in diesem Herzen vor sich geht, das in die Höhe strebt und auch die anderen nach oben zieht.“ Das ist es, was in diesem Raum geschieht. Sursum Corda! Empor die Herzen! Und dann vollzieht sich die Begegnung zwischen Gott und Mensch im siebten Raum, dem Raum der Communio. „Herr bleib bei uns mit deiner Kraft, die in uns Mut und Hoffnung schafft.“ Mit diesem Schlussrefrain endet die Erdwärtsmesse und drückt zugleich aus, dass man das, was man hier so erfahren durfte, nicht mehr missen möchte. „Ich fühle plötzlich eine Sehnsucht nach Gott in mir, die ich viele Jahre verdrängt hatte. Ich wollte es erst nicht zulassen. Aber dann sind die Tränen geflossen. Ich will jetzt mehr von dieser Liebe erfahren“, sagt Maria, die schon vor Jahren aus der Kirche ausgetreten ist, weil die Gottesdienste so leblos und farblos waren. Hier sind sie eingebettet in einen kraftvollen, energiegeladenen Klangteppich aus Tönen. Töne, Urtöne, die ihre Resonanz wiederfinden in der vollständigen Öffnung des Geistes der teilnehmenden Gläubigen. So gestärkt stehen wir wieder an der Schwelle zur Welt im achten Raum der Ermutigung, das Erlebte hinaus zutragen und der Welt zu verkünden: Ite missa est! Geht jetzt hinaus, ausgestattet mit einem Auftrag! Oder mit den Worten von Marthé: „Geht und macht was draus!“

Der Termin für den nächsten Eucharistischen Workshop in Fiecht steht seit kurzem fest: 1. bis 3. März 2013.

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